Lichtkunstobjekte: Die Objekte der Lichtpromenade im Einzelnen

Im Rahmen des regionalen Lichtkunst-Projekts "Hellweg - ein Lichtweg" entsteht seit 2003 an der Lippe die Lichtpromenade Lippstadt. Der gebürtige Lippstädter Dirk Raulf hat 2003 diesen Lichtkunst-Weg konzipiert, der das Lippstädter Leitbild "Licht - Wasser - Leben“ reflektiert, und ist künstlerischer Leiter der Lichtpromenade. Vom Mattenklodtsteg, dem Tor zum "Grünen Winkel", über den Lippebug, am Kanal entlang bis zum Soesttor sind inzwischen siebzehn Installationen deutscher Lichtkünstlerinnen und Lichtkünstler entstanden. Die Lichtkunstobjekte werden parallel zur Straßenbeleuchtung ca. 30 Minuten nach Sonnenuntergang in Betrieb genommen.

Ein Lageplan steht Ihnen am Ende dieser Seite als Download zur Verfügung.

 

"Arche" von Christoph Hildebrand (Mattenklodtsteg)

Ein Floß aus rohen Baumstämmen bildet die Plattform für ein Gewächshaus, das mit Neonzeichen angefüllt ist. Die Zeichen dimmen in unterschiedlichen Intervallen und Zeitdauern auf und ab und bilden so immer neue Assoziationsketten und Vernetzungen von Begriffen. Für die Auswahl und Entwicklung der Piktogramme hat sich der Künstler von Gegenwart und Geschichte Lippstadts inspirieren lassen. 2003 mit vorerst 8 Zeichen installiert, wurde die "Arche" 2007 mit 8 weiteren Zeichen fertig gestellt.

"abseite" von Jan Philip Scheibe (Grüner Winkel)

Zwischen „Arche" und „Undine" auf der der Schule im Grünen Winkel gegenüberliegenden Seite des Lippe-Seitenarms, zwischen den Uferbäumen auf dem Gelände des Marinevereins Lippstadt e.V. ist der Leuchtschriftzug „abseite" installiert. Die Leuchtschrift blinkt und wechselt die Farben wie die Beschriftungen von Karussells auf den Kirmesplätzen. Darüber leuchten drei Sterne, um die abseitige Exklusivität des Ortes zu unterstreichen.

"Undine" von Claudia Schmacke (Schule im Grünen Winkel)

Ein magisches grünes Auge leuchtet im Fluss auf. Ohne erkennbare Ursache bildet sich auf der Wasserfläche ein grün leuchtender Strudel. In der Dunkelheit des Flusses wird für kurze Zeit eine rätselhafte, verführerische, vielleicht auch unheimliche Erscheinung sichtbar, bevor sie wieder verschwindet. Nach einigen Minuten erscheint stattdessen ein hell leuchtender, laut sprudelnder Geysir, beruhigt sich wieder. Dann beginnt das Wechselspiel von Neuem.

"Lipstadium oder Friedrich der Große, der Mittlere und der Kleine" von Jürgen Stollhans (Am Alten Steinwehr)

Drei metallene Rundkörper von identischer Höhe und Durchmesser sind so nebeneinander angeordnet, dass sie wie Teile einer großdimensionierten Röhre wirken, die von einer riesigen Metallsäge voneinander getrennt wurden. Beschichtet sind die Metallkörper mit einem pigmentierten und nachleuchtenden Lack. Auf die fluoreszierende Lackschicht wurde in einer zweiten, dem Lippewasser nachempfundenen dunkelgrünen Farbe, ein Muster aufgetragen, das von der Färbung eines Fischkörpers inspiriert ist.  Die Leuchtkraft der Objekte wird durch drei UV-Strahler in LED-Technik aufgerufen, die mit ihrem diffus blauen Licht die Körper zu bewachen scheinen. Nach einer kurzen Phase mit voller Leuchtkraft werden die Strahler ausgeschaltet, und das Nachleuchten des dreiteiligen Metallcorpus setzt ein. Etwa halbstündig wiederholt sich der Prozess.

"Milky Way" von Stefan Sous (Insel am Lippebug)

Mitten im Flusslauf liegt eine Insel mit einem einzigen Baum. Neben dem Baum ist ein Steg angebracht, wie um zu angeln, zu baden oder ein Boot anzulegen. Der Steg besteht jedoch nicht aus Holz, sondern aus leuchtenden Röhren. Aus einer im Dunkel verschwindenden Insel macht er einen Sehnsuchtsort. Räumlich bleibt der Betrachter auf Distanz, gedanklich folgt er dem Licht, betritt die Insel im Traum, Insel der Verlorenen, Sterneninsel, Insel der Phantasie.

"HEL" von Livia Theuer und Daniel Roskamp (Lippertor)

Die Installlation HEL zitiert den Fluss als Grenze zwischen Leben und Tod, das Wasser als lebensspendendes und als gefährdendes Element. Ein leuchtendes „U", das dem bekannten U-Bahn-Zeichen täuschend ähnlich sieht, ist am Lippeufer installiert. Der Leuchtwürfel verändert sich, führt ein Farbenspiel in Zeitlupe auf, wird rot, verschwindet, taucht als kaum wahrnehmbarer grauer Schemen wieder auf. Am gegenüberliegenden Ufer reflektiert ein großer Spiegel das „U" und schattenhaft auch den Betrachter. „U" kann hier auch „Unterwelt" bedeuten: „Hel" ist der Name der Totengöttin und der Totenwelt der germanischen Mythologie. Und es gibt für den Namen HELLWEG neben den Erklärungen als lichter, breiter Weg oder als Salzweg auch eine dritte Deutung, nämlich Totenweg.

"Glitzerbaum" von Claudia Wissmann (Lippebug)

Ein Lichtkunstwerk, das ohne eigene Elektrik auskommt: Ein über die Wasserfläche ragender Baum trägt zahlreiche Spiegelketten wie ein zweites Laub. Die permanente Bewegung der Spiegel im Wind lässt den Baum flimmern. Die Spiegel reflektieren die Umgebung, vervielfachen das Tages- und das künstliche Licht, der Baum schimmert, flimmert, strahlt, glimmt, tanzt. Der Baum wird zum Spiegel, zum Juwel, zum Märchenbaum.

2021 wurden die Spiegel durch die Künstlerin erneuert.

"Das Ergreifen" von Johannes Jäger (Weiterbildungskolleg)

Sechs Betonstelen tragen aus Beton gefertigte Bildröhren mit einer zeitlupenartigen Bildsequenz: eine Hand nimmt eine Handvoll Salz auf. Das flüchtige Medium Bild begegnet dem massiven Material Beton. Aus der Beliebigkeit des allgegenwärtigen medialen Bilder- und Sprachflusses als Filmstils gewonnen, werden die Motive zu Erinnerungsbildern, zu einem mythischen Vorgang. Altar, Grabmal, versunkene Stadt, Periskop oder Computerschrott - die Objekte führen bei Dunkelheit eine irritierende, über dem Fluss schwebende Existenz.

"An Bord" von Michael Vorfeld (Cappeltor)

„An Bord" zitiert mit zwei Schiffsleuchten, die an der Cappeltorbrücke über der Lippe schweben, die Positionslichter eines imaginären Schiffes: Backbord ist rot, steuerbord grün. Die beiden Positionslichter bleiben nicht in Ruhe: Sie flackern unruhig, erlöschen, leuchten mal kräftiger, mal schwächer. Der irritierende visuelle Eindruck wird akustisch verstärkt, indem die Störung des Stromflusses durch ein unsichtbares Lautsprechersystem unter der Brücke hörbar gemacht wird. Der Stromfluss und damit im übertragenen Sinne das Strömen des Flusses ist aus dem Gleichgewicht geraten, das imaginäre Schiff wird zu einem unsicheren, beunruhigenden Ort.

"Cumulus" von Thorsten Goldberg (Stadttheater)

Thorsten Goldbergs 2009 entstandene Neonwolke CUMULUS am Stadttheater wurde durch einen Brand zerstört. Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit ist nun eine neue, ebenfalls eisgrüne Licht-Wolke entstanden, die auf dem alten Kragarm den Platz der Originalwolke einnimmt. Die neue Installation basiert auf LED-Technologie und wurde gemeinsam mit Mitarbeitern der HELLA KG entwickelt. Endlich grüßt CUMULUS nun wieder schon von weitem die Passanten und steckt nicht nur dem benachbarten Stadttheater, sondern auch dem einstigen Nordtor der Stadt ein festliches
Licht auf.

"Schweigen" von Gunda Förster (Brücke Ostendorf-Gymnasium)

Zwei weithin sichtbare blaue Neonschriften überlagern sich: "Schwimmen" und "Fliegen". Das Erscheinungsbild ändert sich permanent, denn die Worte werden unabhängig voneinander ein- und ausgeblendet, so dass verschiedene Zustände der Überlagerung entstehen. Als dritter Begriff erscheint - als Resultat der Überlagerung - wie durch Magie das Wort "Schweigen" und verschwindet wieder. Die Wasseroberfläche verdoppelt die blaue Erscheinung, lässt sie in Spiegelschrift auf dem Wasser widerscheinen.

"Weg der Schiffer" von Offermann (Kanu-Leistungszentrum)

Entlang des Lippe-Seitenkanals strahlen klassische "Pilzleuchten" auf einer Hälfte rot, auf der anderen weiß - wie Signalleuchten, die von Osten kommend ROT und von Westen kommend WEISS zeigen. Die einzelnen Leuchten werden so programmiert, dass sie sich bei Näherkommen eines Passanten plötzlich ausschalten, um hinter ihm "heimlich" wieder anzugehen. Der Spaziergänger erreicht sozusagen das Licht nie, das Licht folgt eigensinnig einer eigenen Dramaturgie. Kommen Passanten von beiden Richtungen, so ergibt sich eine Licht-Choreografie; sie werden zum Auslöser und Teil der Installation.

 

Hinweis:  Aufgrund der Schäden durch das Sturmtief "Emmelinde" kann aktuell noch nicht abgesehen werden, wann das Lichtkunstobjekt wieder in Betrieb genommen werden kann. 

"Der Mittler" von Frank Schulte (Ostendorfallee/Burgmühle)

Der Schiedsrichterturm für Kanusport an der Lippstädter Wildwasserstrecke verwandelt sich durch die Licht-Klang-Installation abends in ein phantastisches Wesen. Ein System von Lautsprechern und Lichtquellen am Gebäude und im Boden darunter versetzt den Turm mit ruhigen Klängen und mattblauem Leuchten in einen atmenden, schlafenden Zustand. Zur jeweils vollen Stunde erwacht das Turm-Wesen zur Aktivität, um eine Serie von akustischen und visuellen Signalen zu senden. Die architektonischen Bestandteile werden zu Gliedern, Kopf und Körper, und das Wesen aus Beton, Glas, Licht und Ton scheint uns eine Botschaft mitteilen zu wollen.

 

Hinweis: Aufgrund der Bauarbeiten am Wehrkomplex Stiftsmühle ist das Lichtkunstobjekt ‚Der Mittler‘ abgeschaltet und kann leider nicht besichtigt werden.

"Nachtflug" von Gereon Lepper (Friedrichschleuse)

Durch Bodenstrahler intensiv angestrahlt werden die an der Unterseite weiß beschichteten Schwingen bei Dunkelheit zu reflektierenden Leuchtkörpern. Ein Balance-System, das auf Wind- und Gravitationsenergie reagiert. Bei Wind erwacht die stählerne Skulptur zum Leben und vermittelt im "natürlichen" Schwingen der Flügel eine unerwartete Leichtigkeit und Poesie. Ein weiß schimmerndes Nachtschattengewächs, ein riesiger weißer Vogel, eine fahl winkende Hand: die technische Skulptur ruft in Verbindung mit dem Element Licht natürliche Assoziationen hervor.

„Schilfrohre“ von Sebastian Hempel (Marineheim)

Sebastian Hempels „Schilfrohre“ bestehen aus 18 transparenten Lichtrohren aus schlagfestem Polycarbonat, die auf Edelstahlschwimmkörpern befestigt sind. Durch Wasserbewegung und Wind schwanken sie mit leichten Bewegungen hin und her, so dass ein dynamisches Zufallsmuster entsteht. Die Bewegungsdynamik der Skulptur kann durch die unterschiedlichen Wind- und Wasserbedingungen vielfältig variieren. Die Lichtrohre mit einer Höhe von ca. 3 m wirken durch die Reflexion des Lichtes auf der Wasseroberfläche doppelt so lang. Die „Schilfrohre“ ziehen - ganz wie ihr Vorbild in der Natur - den Betrachter mit ihrer poetischen, ja „magischen“ (Hempel) Bewegung in ihren Bann; die Installation erhält neben der räumlichen auch eine rhythmisch-zeitliche, kontemplative Dimension.

"Fenster" von Lynne Leegte (Alte Synagoge Lippstadt)

Im September 2020 wurde die während der Novemberpogrome 1938 zerstörte Lippstädter Synagoge erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seitdem findet hier im „Kulturraum Synagoge Lippstadt“ ein regelmäßiges Kulturprogramm statt, und Anfang 2022 wurde der gleichnamige Trägerverein gegründet.

Anlässlich der „Nacht der Lichtkunst“ am 30. Oktober 2021 wurde von Lyyne Leegte eines der ehemaligen Bogenfenster der Synagoge „aus Licht“ wie ein Icon nachgeformt und dort ausgestellt, wo dieses Fenster vor der Zerstörung zu sehen war und wo sich heute der Zugang zu den verbliebenen Räumlichkeiten der Synagoge befindet.

Anfang Januar 2022 wurde die Installation durch die Kunststiftung der Sparkasse Lippstadt auf Dauer erworben und setzt nun allabendlich vor der Synagoge ein leuchtendes Zeichen der Erinnerung, das gleichzeitig in die Zukunft weist.

"headlight" von Dirk Raulf (Kanalbrücke am Lippertor)

Als „artist in residence“ realisierte Dirk Raulf von 2020 bis 2022 in seiner Geburtsstadt Lippstadt das umfassende Projekt „heimat.kunden“. Den Abschluss bildete „headlight“, ein aus der maritimen Technik stammender Suchscheinwerfer, der wie zufällig über die Wasserfläche streicht, überraschende, oft mehrfache Reflexionen hervorruft und Assoziationen entstehen lässt von Verfolgen, Suchen, Kontrollieren, Aufspüren,
Erleuchten, Durchdringen, Markieren.
„headlight“ setzt ein Zeichen, das für das gesamte Projekt heimat.kunden steht, in dem Raulf versucht hat, das zu dokumentieren, was ihm in Lippstadt begegnet ist, wovon er Kenntnis erhielt, was ihm berichtet und zugetragen wurde, was er recherchierte, mutmaßte und erinnerte – eine Suchbewegung und Recherche in der Herkunftsstadt und zum vielgestaltigen, abgründigen Thema „Heimat“.

„Das Kleine Haus“ von Claus Richter (Lippebrücke am Cappeltor)

Zum 20-jährigen Jubiläum der „Lichtpromenade Lippstadt“ realisierte mit Claus Richter ein gebürtiger Lippstädter die 20. Lichtskulptur des Lichtkunst-Wegs entlang der Lippe. Auf einer Plattform von etwa 150 cm Höhe ruht „Das Kleine Haus“, das mit seinen 160 cm Höhe und 110 cm Breite an ein Haus in Märchenparks oder Miniaturdörfern erinnert. Allabendlich erwacht dieses Haus durch ein Schattenspiel zum Leben: Hier ist offenbar ein neuer Nachbar eingezogen, ein rätselhafter Einsiedler, ein magischer Wicht oder Gnom, dessen Silhouette man bei abendlichen Verrichtungen im „Kleinen Haus“ beobachtet.


Idylle oder Eremitenklause? Trautes Heim oder Horrorhaus? Rituale der Geborgenheit oder zwanghaftes Wiederholungen? In der Ambivalenz, verborgen hinter bunten Oberflächen, findet Claus Richters Kunst ihren Ausdruck. Seine Kunst ist ein Spiel, auch ein Versteckspiel, eine Kunst, mit Einsamkeit und Anderssein schöpferisch umzugehen, aber sie ist auch und vor allem ein Trostraum, der auf dem Recht insistiert, sich mit Märchen, Fabeln und Fantasie, mit Erinnerung und Kindheit zu identifizieren, ohne den Kopf und die Reflexion des Erwachsenen abzuschaffen oder abzuschalten.

„Grünebergs sind verrückt“ von Michal Fuchs (Alte Synagoge Lippstadt)

Das Gartenhaus der ehemaligen Lippstädter Synagoge blieb während der „Kristallnacht“ 1938 unzerstört. Wie die alte Synagoge steht es unter Denkmalschutz. 2022 wurden auf ehemaligen Abort-Türen zahlreiche Sütterlin-Kritzeleien entdeckt, die aus der Zeit vor 1938 stammen. Unter anderem fand man die rätselhafte Formulierung „Grünebergs sind verrückt“, die sich auf die jüdische Lippstädter Familie Grüneberg bezieht. Das Gartenhaus kann heute besichtigt werden; weitere Wandritzungen und Scribbles wurden entdeckt, darunter eine Karikatur des ehemaligen Lehrers der jüdischen Schule, Issak Rosenfeld. Bei Renovierungsarbeiten 2024 entdeckte man unter dem Dach eine Genisa, einen Aufbewahrungsort für heilige jüdische Schriften, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die aus Israel stammende, in Halle/Saale lebende Künstlerin Michal Fuchs hat das winzige Skribble „Grünebergs sind verrückt“ zu einer Neonschrift vergrößert. Als an der für die Neonarbeit vorgesehenen Stelle an der Ostwand der ehem. Synagoge die Trockenbau-Konstruktion abgenommen wurde, wurde ein Teil des ehemaligen Thora-Schreins sichtbar, in dem sich die Schrift nun befindet. Die Vergrößerung, Belichtung und Akzentuierung der Sütterlin-Handschrift, einer profanen, alltäglichen Handlung, die man heute zu einer der letzten Spuren jüdischen Lebens in Lippstadt zählen muss, erscheint durch die Platzierung in der Thora-Nische als Menetekel und wird um eine fast sakrale Dimension erweitert.

 

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