„Cradle to Cradle als Innovationschance für Lippstadt“, mit dieser Idee war Prof. Michael Braungart im CARTEC angereist. Erwartet wurden er und die weiteren Gastreferenten und -referentin der UNITY AG sowie von Schüco International KG von 80 Zuhörenden. Auf Einladung der Wirtschaftsförderung Lippstadt (WFL) stand der Abend der Reihe „Unternehmensgestaltung 2030“ unter dem Motto „Nachhaltigkeit von Anfang an“.
Zur Begrüßung leitete der Geschäftsführer der WFL, Kurt Weigelt, in das Thema ein, indem er anhand des Konzepts der planetaren Belastungsgrenzen von Johan Rockström die Notwendigkeit zum regenerativen Wirtschaften verdeutlichte. Mit Eingriffen in die Natur wurde bereits in sechs von neun zentralen Umweltprozessen ein für die Menschheit sicherer Handlungsraum verlassen.
Prof. Braungart stellte in seinem Beitrag als erstes fest, dass Innovationen oft nicht in den großen Metropolen dieser Welt stattfänden, sondern in der vermeintlichen Provinz. Sie bräuchten Zeit, Vertrauen und Beständigkeit, um sich zu entwickeln und dafür müsse man sich kennen und auf diese Faktoren verlassen können. Diese Voraussetzungen böten oft kleine und mittlere Unternehmen in der sog. Provinz.
Prof. Michael Braungart entwickelte in den 1960er Jahren zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough das Cradle to Cradle-Design-Konzept („Von der Wiege zur Wiege“). Es gilt als eines der renommiertesten Konzepte im Bereich des regenerativen Wirtschaftens. Für Prof. Braungart gilt das Paradigma, dass Nährstoffe nach einer Nutzung wieder zu Nährstoffen werden müssen, die Nutzung erneuerbarer Energien zwingend ist und eine aktive Unterstützung von Vielfalt in der Natur stattfinden muss. Bei all dem sei intelligentes Design der entscheidende Faktor. Es sei wesentlich besser und sinnvoller als Upcycling oder Recycling. Schon beim Design der Produkte müsse darauf geachtet werden, möglichst wenige und nach der Nutzung wieder trennbare Rohstoffe zu verwenden. Als Negativbeispiele nannte der Chemiker Braungart Mobiltelefone, die 41 chemische Elemente enthielten, wovon nur 9 recycelt würden oder Autos, die mindestens 40 verschiedene Metalllegierungen enthielten, die dann zu minderwertigem Baustahl recycelt würden, die wertvollen Buntmetalle, die vor allem in E-Autos erforderlich seien, gingen verloren.
Dass seine Forderungen umsetzbar und darüber hinaus ökonomisch erfolgreich sein können, zeigte er an zahlreichen, unterschiedlichen Produkt- und Nutzungsbeispielen. Hierzu seien die heimischen mittelständischen Unternehmen zwingend notwendig, die eben diese Produkte und Nutzungskonzepte herstellten bzw. umsetzten.
Der zweite Teil der Veranstaltung wurde von René Szepanski, Geschäftsfeldleiter in der UNITY AG, eröffnet. Sein Unternehmen sieht in der Nachhaltigkeit ein Mittel der aktiven Unternehmensgestaltung, welches Treiber und Hebel für die „zirkuläre Transformation“ sein könne. Als Gründe für Nachhaltigkeit im Unternehmen nannte er u.a. Lieferketten-Resilienz, Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Wege, die Unternehmen nutzen könnten, seien breit gefächert. Hierzu zählten Etablierung eines klimafreundlichen und glaubwürdigen Angebots mit zirkulären Produkten und Services ebenso wie die Überwachung von ökologisch vorteilhaften Innovationen, die einen signifikanten Kostenvorteil lieferten. Unternehmen könnten so sowohl ihren Umsatz erhöhen als auch Kosten reduzieren.
Gemäß den folgenden Ausführungen von Lea Wendlandt und Lars Holländer, beide ebenfalls von der UNITY AG, solle mit Hilfe eines Fahrplans die Kreislaufwirtschaft strategisch und operativ ganzheitlich im Unternehmen implementiert werden. Die Motivation sollte auch hier die Zukunftsorientierung der Unternehmen sein, denn der globale Erdüberlastungstag rücke immer weiter nach vorne. So überstieg am 2. August 2023 die globale Nachfrage der Menschheit nach ökologischen Ressourcen und Dienstleistungen das, was die Erde in diesem Jahr regenerieren kann. Kreislaufwirtschaft sei ein zentrales Element, um als Unternehmen innerhalb planetarer Belastungsgrenzen zu handeln. Eine weitere Motivation seien die umfangreichen schon bestehenden und die zukünftigen Nachhaltigkeitsregularien der EU und des Bundes. In differenzierten Darstellungen verdeutlichten Lea Wendlandt und Lars Holländer, welche Regularien relevant sind und vor allem wie Unternehmen sich diesen Herausforderungen stellen können, mit dem Ergebnis, dass sie zum ökonomischen und ökologischen Erfolg des Unternehmens beitragen.
Im Praxisteil der Veranstaltung verdeutlichten Sebastian Ferrari-Hoh und Stefan Rohrmus, beide Mitarbeiter der Schüco International KG, wie ihr Unternehmen sehr erfolgreich verschiedenste Produkte nach dem Cradle2Cradle-Standard zertifizieren konnte – insgesamt aktuell 75 SCHÜCO Systeme. Schüco bezeichnet Zirkularität als das neue Normal für Unternehmen. Treiber für die ständige Verbesserung der Produkte sei das Ziel der Zukunftssicherung. Ihre Produkte würden in Gebäuden verbaut, bei denen sich die Investoren oft danach entschieden wie die jeweils verbauten Produkte innerhalb einer geplanten Lebenszeit von mindestens einer Generation oft sehr viel länger zu bewerten seien. Zirkularität werde ohne Zweifel in den nächsten 50 bis 100 Jahren selbstverständlich sein, so die Überzeugung. Kunden bräuchten den Nachweis über die Taxonomie-Konformität von Neubau- und Renovationsprojekten schon jetzt immer häufiger.
Dabei sei es oft gar nicht so schwer, Produkte nachhaltiger zu produzieren. Oft ließen sich bedenkliche Stoffe, durch andere unbedenkliche, gleichwertige ersetzten. Man müsse sich „einfach“ mal ein Bild machen von allen Inhaltsstoffen und Produktionsprozessen, dann ergäben sich viele Verbesserungen ohne zusätzliche Kosten. Man werde im Zertifizierungsprozess umfassend unterstützt und profitiere vom Knowhow des jeweiligen Netzwerkes. Man könne durch die Zertifizierungen dem Kunden ein Qualitätsversprechen geben, was sehr wertvoll sei.